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Foto und Name gehören nicht mehr in die Bewerbung

Siemens ist Vorreiter bei diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahren

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München. Der deutsche Traditionskonzern Siemens überraschte kürzlich die Öffentlichkeit mit der Entscheidung, künftig Bewerbungsfotos bei Stellenausschreibungen des Unternehmens zu verbieten. Janina Kugel, die Siemens-Personalchefin, führt dazu nach einem Bericht des SPIEGEL zur Begründung an: „Es gibt das Risiko, dass Firmenverantwortliche auf Basis solcher Bilder beeinflusst werden und dadurch nicht die richtigen Personalentscheidungen treffen.“ Dazu verweist sie auf das Problem der unbewussten Denkmuster (unconscious bias), die sich etwa darin äußern können, dass Ältere oder Frauen als technikfern angesehen werden. „Ganz eindeutig ist es wissenschaftlich bewiesen, dass ein Foto einen Rückschluss auf eine Qualifizierung beeinhaltet“, so Kugel, „wenngleich das natürlich nicht unbedingt richtig ist“.

Was in Deutschland noch die Ausnahme ist, ist in anderen Staaten bereits die Regel. So sind in Kanada Bewerbungsfotos bereits gesetzlich verboten. Um wirksam gegen Diskriminierungen im Bewerbungsprozess vorzugehen, ist dies jedoch zu wenig. Daher fordern Arbeitsrechtsexperten und Antidiskriminierungsbeauftragte, noch weitere Angaben bei Bewerbungen zu verbieten, die Grundlage für eine Diskriminierung der Bewerber sein können. Durch den zusätzlichen Verzicht auf die Nennung des Geburtsdatums läßt sich beispielsweise äußerst effektiv eine altersbezogene Diskriminierung verhindern. Ebenso einfach ließe sich die geschlechterbezogene Diskriminierung ausschließen, indem künftig auch auf die Nennung des Geschlechts und des Vornamens verzichtet wird. Eine Benachteiligung von Frauen im Bewerbungsprozess ist dann nicht mehr möglich.

Um auch ausländische Bewerber und Bewerber mit Migrationshintergrund davor zu schützen, wegen ihrer Herkunft diskriminiert zu werden, wird von Experten gefordert, künftig ganz auf die Nennung des Bewerbernamens zu verzichten. In wissenschaftlichen Studien hat sich gezeigt, dass in Deutschland ein Peter Schmidt bei gleicher Qualifikationen weitaus mehr Einladungen zu Bewerbungsgesprächen erhält, als ein Bewerber mit dem Namen Türkan Öztürk. Die Verhinderung einer solchen herkunftsbezogenen Diskriminierung kann allerdings nur dann ganz erreicht werden, wenn auch auf den Geburtsort verzichtet wird, da dieser die ausländische Herkunft deutlich offenbart. Ebenso sollte auch die Nennung von Ausbildungsstellen und vorherige Jobs unterlassen werden, denn auch diese weisen eventuell auf eine ausländische Herkunft hin.

Eine Diskriminierung kann sich allerdings auch daraus ergeben, dass Bewerber Zeugnisse mit unterschiedlichen Abschlüssen einreichen. Aufgrund unterschiedlicher Ausbildungs- und Prüfungsstandards lassen sich diese nur bedingt vergleichen und sind damit praktisch wertlos, um Bewerber diskriminierungsfrei zu differenzieren.

Ein Streichen all dieser Angaben in den Bewerbungsunterlagen wäre jedoch kaum geeignet, Diskriminierungen bei der Bewerberauswahl zu unterbinden, wenn nicht auch entsprechende Maßnahmen beim Bewerbungsgespräch erfolgen würden. Unternehmen mit wenig Erfahrung in diesem Bereich behelfen sich noch mit Papiertüten, die von den Bewerbern während des Gesprächs getragen werden müssen. Personalexperten raten jedoch dazu, ganz einfach auf das Bewerbungsgespräch zu verzichten und einfach denjenigen einzustellen, der sich als erster bewirbt. Da die Lebensläufe ohnehin vollkommen leer sind, bietet dieses Verfahren die beste Möglichkeit, eine Benachteiligung eines Bewerbers zu vermeiden, die darin besteht, dass das Unternehmen gegen das first-come-first-serve-Verfahren verstößt.

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