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Schild und Schwert der Willkommenskultur

Die Aktivistin Anetta Kahane im Gespräch mit dem Morgengagazin

Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (bearbeitet)

In den sozialen Netzwerken wird immer mehr unsachliche Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel laut. Im Auftrag der Bundesregierung hat die Berliner Amadeu Antonio Stiftung deshalb eine Broschüre erarbeitet, die Hilfestellungen bietet, wie man Urheber defätistischer Hetze entlarven und den staatlichen Stellen melden kann. Wir haben die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung in ihrem Amtssitz in der Berliner Normannenstraße besucht.

MoGa: Frau Kahane, Sie haben im Jahr 1998 die Amadeu Antonio Stiftung gegründet und führen die Organisation seitdem als geschäftsführende Direktorin. Wie sind Sie zu ihrer Aufgabe gekommen und welche Ziele verfolgen Sie?

Kahane: Das Ende der Deutschen Demokratischen Republik und der Fall der Mauer war für mich eine persönliche Katastrophe. Ich hatte ja nichts gelernt außer Bespitzelung und Diffamierung. Auch mein berufliches Netzwerk war nichts mehr wert, da die Parteifreunde meines Vaters entweder im Gefängnis saßen oder in den frühzeitigen Ruhestand versetzt worden waren. Nach dem Fall des antifaschistischen Schutzwalls bin ich deshalb in ein tiefes Loch gefallen. Erst nach einer schwierigen Phase der Reorientierung habe ich mich auf meine alten Stärken besinnen können und schließlich im Kampf gegen Rechts ein neues Betätigungsfeld gefunden.

Haben zusammen in Spanien gekämpft: Max Kahane und Erich Mielke
Haben zusammen in Spanien gekämpft: Vater Max Kahane und Förderer Erich Mielke

MoGa: Wie kamen Sie auf den Namen Amadeu Antonio?

Kahane: Am liebsten hätte ich den Verein damals „Feliks-Dzierzynski-Stiftung“ genannt. Glücklicherweise kannte sich mein Vater mit systemischen Anpassungszwängen besser aus und so haben wir nach einem unverfänglicheren Namenspatronen Ausschau gehalten. Eher zufällig fiel die Wahl dann auf Antonio Amadeus, der irgendein Afrikaner war, der hier von Skinheads erschlagen wurde.

MoGa: Im Auftrag von Bundesjustizminister Heiko Maas hat die Amadeu Antonio Stiftung gerade einen Maßnahmenkatalog gegen Hetze im Internet verabschiedet. Wie genau definieren Sie Hetze?

Kahane: Eigentlich haben wir uns dazu entschieden, statt von Hetze lieber von Hatespeech zu sprechen. Das Wort Hetze hatten wir ja damals beim Neuen Deutschland vor allem dazu benutzt, jede Form der Kritik an Partei- und Staatsführung als Propaganda des kapitalistischen Klassenfeinds zu diffamieren. Um diese Assoziation zu vermeiden, verwenden wir heute lieber den amerikanischen Begriff Hatespeech. Das hört sich einfach frischer und moderner an.

Steht für die Wehrhaftigkeit der Demokratie: die Amadeu Antonio Stiftung
Sorgt für Netzsicherheit im Staat: die Amadeu Antonio Stiftung

MoGa: Wegen der Verfolgung von Hatespeech in sozialen Plattformen im Internet stehen Sie und ihre Mitarbeiter derzeit in der Kritik. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Kahane: Nein! Überhaupt nicht! Wer so redet, entlarvt sich als Feind des Sozialismus … äh …  der offenen Gesellschaft. Wenn jemand zum Beispiel schreibt, dass die Regierung alles falsch macht, ist es unsere Pflicht, eine solche Aussage als pauschale Herabwürdigung der Obrigkeit zu melden und die nötigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es kann auch nicht sein, dass Plattformen im Internet Straftaten durch geflüchtete Schutzsuchende dokumentieren und damit die behutsame Informationspolitik der Bundesregierung konterkarieren. Ich fordere deshalb alle Bürger der bundesdeutschen demokratischen Republik dazu auf, jede Form auffälligen Verhaltens umgehend zu melden, damit wir diese Stimmen zum Verstummen bringen können.

MoGa: Aufgrund ihrer beruflichen Vergangenheit sind sie vor allem in reaktionären Presseorganen als Stasi-Tante beschimpft worden. Wie stehen Sie zu den Vergleichen zwischen ihrer Tätigkeit bei der Staatssicherheit und ihrem wohltätigen Engagement bei der Amadeu Antonio Stiftung?

Kahane: Diese Vergleiche sind doch lächerlich. Beim Ministerium für Staatssicherheit hatten wir eine fantastische personelle, finanzielle und technische Ausstattung. Zu besten Zeiten konnte mein damaliger Chef und Mentor Genosse General Mielke auf die Expertise von fast 100.000 offiziellen und weit über 200.000 inoffiziellen Mitarbeitern zurückgreifen. Dagegen ist das was wir hier machen doch ein Witz. Der Staat speist uns mit läppischen anderthalb Millionen Euro im Jahr ab, und ich bin noch nicht einmal zum Waffentragen berechtigt! Dabei wollen wir doch nur das beste für euch. Ich liebe doch alle Menschen und setze mich für sie ein!

MoGa: Unter diesen Umständen kann man die Kritik an Ihnen und ihrer wunderbaren Stiftung tatsächlich nicht verstehen. Wir danken Ihnen jedenfalls für das interessante Gespräch und wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen weiterhin viel Erfolg.

Kahane: Ich bedanke mich ebenfalls für die Fragen und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Übrigens sollten Sie bei Ihrem nächsten Besuch im Artemis zumindest das Handy ausschalten. Es wäre doch sehr ärgerlich, wenn ihre Frau von ihren kleinen Lastern Wind bekäme.

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